INTERAGIEREN  oder  KOLLIDIEREN  ?

Einheimische und Zugewanderte: Wie sind zwischenmenschliche Beziehungen zu gestalten?


 

Die neue Wissenschaft sagt uns, dass sub-atomare Teilchen nur existieren, wenn jemand sie beobachtet, oder wenn sie mit anderen Teilchen kollidieren. Es existiert sonst nichts, erklärt uns die Wissenschaft der Quantenmechanik, von Werner Heisenberg entdeckt. Mit anderen Worten: Wir müssen akzeptieren, dass die Realität sich aus Interaktionen erklärt. Kein Objekt hat eine genaue Position, es sei denn es kollidiert mit einem anderen Objekt. Es gibt nur eine Realität durch Interaktionen.
 

Nun kann man sagen, dass wir Menschen leider viel zu häufig miteinander kollidieren. Kriege gibt es seit Menschengedenken. Vernichtung, Mord und Totschlag. Einer tötet den anderen. Ist das der beste Weg, um zu spüren, dass man existiert? Geht es um mehr Land, mehr Ressourcen, mehr Nahrung? Doch gibt es nicht sanftere Methoden für eine gerechte Verteilung?  Ressourcen werden immer knapper, die Zahl der Menschen nimmt zu. Früher hat ein Bauer vier Menschen ernährt, heute sind es 150 Menschen, die Nahrung über die technisierte Landwirtschaft von einem einzigen Bauer am Leben erhalten können. Doch zu welchem Preis ?

 


    Die Bevölkerungsexplosion als Bombe ?

 

Im Jahr 1804 gab es eine Milliarde Menschen, im Jahr 2011 waren es bereits sieben Milliarden. Wie lange wird die Bevölkerungszahl noch ansteigen?  Wie lange geht das gut?  Luftverschmutzung, Plastikteile in den Meeren, mit Nitrat verseuchte Böden, ein Aussterben verschiedener Tierarten. Wir leben bereits über unsere Verhältnisse. Familienplanung und ein deutlicher Rückgang der Bevölkerungszahl sind geboten. 2015 lebten weltweit 244 Millionen Menschen in Staaten, in denen sie nicht geboren wurden. Davon lebte mehr als die Hälfte in nur 10 Staaten. In Deutschland sind es mehr als 22 Prozent.

 

Durch die technische Weiterentwicklung, den gestiegenen Wohlstand, mit der Gleichberechtigung der Frauen, die ebenfalls sich gut ausbilden und berufstätig sein können, hat es einen Geburtenrückgang gegeben. 2,1 Geburten pro Frau sind nötig, um die Bevölkerungszahl konstant zu halten. In den reichen Nationen fällt diese Zahl bereits darunter. Früher haben Frauen mehr Kinder in die Welt gesetzt, da auch nur einige von ihnen überlebten. Verhütungsmittel gab es nicht oder wurden verpönt. 'Make babies not love', beschrieben viele kritische Stimmen die Einstellung der Kirche. Nun, früher war die Menschheit tatsächlich vom Aussterben bedroht. Die Pest und andere Krankheiten reduzierte die Bevölkerungszahl in früheren Zeiten auf ein Drittel in einigen Ländern. Die ca.200 Jahre der Religionskriege zwischen Protestanten und Katholiken, die zwei Weltkriege im 20. Jahrhundert töteten Millionen von Menschen. Da war es ratsam gut für Nachwuchs zu sorgen.

 

Trotz der weiterhin steigenden Bevölkerungszahl weltweit, ist Deutschland in einer anderen Situation. Herbert Brücker, Migrationsforscher vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, berichtete schon vor einigen Jahren: "Wenn wir eine Frauenerwerbsbeteiligung hätten wie in den skandinavischen Ländern, wenn wir die Rente mit 67 einführen und zusätzlich gering Qualifizierte nachschulen und ausbilden, dann steigt das Erwerbspotential um etwa 1,5 Millionen. Es geht aber, wenn wir keine Zuwanderung haben, um etwa 18 Millionen Erwerbspersonen zurück..."


 

 Gemeinsamkeiten entdecken

 

Aber: Was hält uns friedlich zusammen, was bewegt uns, auf richtige Weise in Interaktion miteinander zu treten? Wie viel Solidarität können Menschen untereinander praktizieren? Gemeinsames Beten und Singen verbindet Menschen. Den gleichen Glauben haben. Aber in unserer Welt, die durch das Internet und die Digitalisierung immer stärker miteinander verbunden ist, gibt es sehr viele Religionen, die Millionen unterschiedlichster Anhänger haben. Religionen können auch destruktiv wirken und zu Kriegen führen. Die Rohingyas in Myanmar – ein Land in dem mehrheitlich Buddhisten leben - werden verfolgt und vertrieben. Die vielen Millionen Hindus und die vielen Millionen Muslime in Indien sind häufig aneinander geraten. Die Gesellschaft war gespalten. Mit der Unabhängigkeit, die Großbritannien Indien gewähren wollte, wurden diese Rivalitäten akut. Muslime wollten nicht von der mehrheitlichen Hindu-Bevölkerung regiert werden. Es sollte ein eigenes Land gegründet werden, auf der Basis der Religion Islam. Etwa 14 Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen und mussten fliehen. Es entstand der Staat Pakistan, damals West-Pakistan und Ost-Pakistan, - das heutige Bangladesch. Hindus im nördlichen Teil des Subkontinents bewegten sich Richtung Süden, Muslime in Richtung Nord-Westen oder Nord-Osten. Die gewaltige Migrationsbewegung verursachte eine horrende Zahl an Toten. Es waren etwa eine Million Menschen, die diesen Prozess nicht überlebt haben.

Wir sehen also, auch wenn eine Religion, die in der Gesellschaft gemeinsam praktiziert wird, einander stark binden kann, so können diese Emotionen auch von Kräften benutzt werden, um sich eine Machtbasis zu verschaffen. Es können gewaltige Konflikte entstehen. Bei uns wurde nach vielen Jahren der Kriege zwischen der evangelischen und der katholischen Interpretation das Kirchenrecht abgeschafft. Es sollte von den Kirchen keine weiteren Konflikte befeuert werden. Es besteht nun Religionsfreiheit, und Politik und Religion sind getrennt. Das Volk ist der Souverän, Gesetze werden im Parlament erlassen. Der Einzelne wird inspiriert vom christlichen – oder anderen – Glauben. Es ist unser Bestreben dies zu erhalten, wenn wir schwerwiegende oder sogar kriegerische Auseinandersetzungen vermeiden wollen.

Da man in Deutschland ursprünglich der Ansicht war, dass unsere 'Gastarbeiter' aus der Türkei eines Tages wieder nach Hause kehren, wurden sie häufig ein wenig distanziert betrachtet. Ein einzelner Türke, oder Türkin musste sich selbst sehr, sehr anstrengen, um in der Bildung und im Beruf mit den Deutschen auf 'pari' zu stehen. Möglicherweise musste er - oder sie - sowohl überlegener als auch zusätzlich noch charmanter und freundlicher sein, um Karriere zu machen.

Was ist mit denen, die das nicht schaffen? Nun, sie haben Verwandte in der Türkei. Bürger in der Türkei haben ein Interesse an Deutschland. Waren verkaufen, den Neffen oder Sohn mit einer Türkin in Deutschland verheiraten, dann kann man auch in dieses Land im Zentrum Europas einwandern, das die drittgrößte Wirtschaft in der Welt hat. In einigen Ländern der Welt werden Cousin und Cousine miteinander verheiratet. Das Geld bleibt in der Familie, man kennt sich. Eine Ketten-Migration.


 

Die Biologie schätzt etwas anderes. Für die Genetik und für das Vererben von Immunstärke und Talenten ist es von Vorteil jemand zu heiraten, der einen ganz anderen ethnischen Hintergrund hat. Die Evolution gibt es nur, weil durch die im Weltall vorhandene Radioaktivität Mutationen in der genetischen Zusammensetzung entstanden sind.

 

    Fundamentalistische Verlockung

 

Das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung wurde Ende 1996 ins Leben gerufen. Es agierte damals gegen den Zeitgeist, denn es galt die Multi-Kulti Einstellung. Es war verpönt, nach den gesellschaftlichen Ursachen von Konflikten auch nur zu fragen.

Gewalt ist eine Schattenseite der Individualisierung bei Jugendlichen aus unterschiedlichen Milieus. 'Individualisierung' schafft mehr Freiheiten, aber dem sind nur die Starken gewachsen. In der komplizierten, sich rasch verändernden Welt mit vielen Arbeitslosen müssen die Jugendlichen sich selbst einrichten und früh entscheiden. Die Schwächeren halten oft dem Druck nicht stand. Sie flüchten oft in Aggressionen und / oder Kriminalität.

 

Der Konflikt- und Gewaltforscher Wilhelm Heitmeyer hatte schon früh schlechte Nachrichten: Die ethnisch-kulturellen Konflikte nehmen seit langem zu, und damit auch die Gewalt. Die radikalisierte Moderne mit ihrer hohen Veränderungs-Geschwindigkeit treibt die Gesellschaft auseinander.

Er warnt davor, dass Ausgrenzung zu Aggressionen führt. Er schrieb einen Bericht über die "Fundamentalistische Verlockung", eine empirische Untersuchung. Er erklärt, dass inzwischen junge Leute in der türkischen Gemeinschaft geradezu abhängig davon sind, dass es ein Feindbild über sie und den Islam gibt. Sie brauchen es, um in ihrer eigenen Welt Halt zu finden. Sie 'igeln' sich ein. Sie flüchten sich in Traditionen, Religion, zurück in die Wir-Gruppe. Daraus kann ein Überlegenheitsanspruch erwachsen, und am Ende eine "religiös fundierte Gewaltbereitschaft."

Doch wir brauchen eher eine verbale Streitkultur. Nicht nur Harmonie, sondern auch eine konstruktive 'Streitkultur' kann Menschen miteinander verbinden. Man versteht sich mit dem anderen immer besser, lernt selbst dazu, ist eher bereit zu teilen, es entsteht ein 'Geben' und 'Nehmen', wobei wahrscheinlich von den Zuwanderern etwas mehr abverlangt wird als von der Mehrheitsgesellschaft.

Prof. Wilhelm Heitmeyer: "Wer sich integrieren will, kann nicht im selben Moment einen exklusiven Schutzraum beanspruchen Das sei 'unvereinbar' mit dem genuinen Interesse einer modernen Gesellschaft nach Selbstaufklärung über ihre internen Entwicklungen".


 

     Eine 'Konfliktdemokratie' als Lösung

 

Wilhelm Heitmeyer befürwortet eine 'Konfliktdemokratie'. Konflikte integrieren, behauptet er: "Was bindet denn sonst zusammen als offenes Streiten? Keine Flucht in die nationalistische oder ethnische Geborgenheit“.

 

Auch bei den seit Generationen ansässigen Einheimischen, den sogenannten Bio-Deutschen, hat es nach Hartz-IV viele prekär Beschäftigte gegeben und viele Menschen sind in die Armut abgerutscht. Im Jahr 2018 sollen bereits etwa 13 Millionen Menschen von Armut betroffen sein: Allein-Erziehende, ältere Menschen, Kinder. Eigene Abstiegsängste sowie die Erfahrung, dass es Vielen ähnlich geht, können gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit verstärken. Einstellungsmuster wie Ausländerfeindlichkeit oder Antisemitismus enthalten einen gemeinsamen Kern, - die Ideologie der Ungleichwertigkeit von Menschen. Aus dieser heraus beziehen dann Teile der Gesellschaft, - etwa Rechtsextreme - die Legitimation, andere abzuwerten. Die Abwertung anderer, insbesondere schwacher Gruppen, dient dann der eigenen Selbstaufwertung, quasi der Aufrechterhaltung eines eigenen positiven Selbstwertes.

 

Wir Menschen sind uns doch alle extrem ähnlich in unseren Bedürfnissen, Ängsten und Wünschen. Nicht ohne Grund haben wir den Artikel 1 in unserem Grundgesetz diese bevorzugte Stellung gegeben: 'Die Würde des Menschen ist unantastbar!' Unsere Menschenrechte und Gesetze sollten für alle gleichermaßen gelten.

 

    Gleichwertig oder ungleichwertig?

 

Es gibt dennoch deutlich erkennbare Unterschiede unter den Menschen. Gibt es eine legitime Hierarchie ? Wer kommt zuerst dran? Wer ist ganz oben, wer kommt danach? In einem Interview mit dem amerikanischen Philosophen, Sprachwissenschaftler und Buchautor sagte Noam Chomsky: „Mehrere Jahrzehnte neoliberaler Politik haben für die große Mehrheit der Arbeiter einen stagnierenden oder sinkenden Lebensstandard zur Folge gehabt, während sich der Reichtum in den Händen einer Minderheit konzentriert. Die Arbeiter werden weltweit in Konkurrenz zueinander gesetzt und ihre Wut wird auf noch schwächere Menschen gelenkt, die angeblich für ihre Situation verantwortlich sind. Sie haben das Gefühl schon lange in der Schlange anzustehen, gearbeitet und die amerikanischen Werte verteidigt zu haben. Das über ihnen eine sehr reiche Minderheit entsteht, stört sie nicht, das gehört zum amerikanischen Traum. Aber dass Neuankömmlinge, die in der Schlange noch hinter ihnen kommen, Hilfe von der Regierung erhalten und manchmal an ihnen vorbeiziehen, das erregt ihren Unmut. Aber die Dinge können sich ändern. Das hängt von uns ab. Es gilt, eine Politik der Aufmerksamkeit zu entwickeln.“
Sicher gilt dieses Verständnis auch für europäische Gesellschaften, die ebenfalls von der Globalisierung betroffen sind.


 

In vielen arabischen Ländern gibt es keine Gleichberechtigung von Mann und Frau, - zum Beispiel wenn es um das Erbe geht. Frauen erhalten deutlich weniger als ihre Brüder. Historisch bedingt war sicher einer der Gründe dafür, dass die körperlich schwächeren Frauen sich nicht an den damals notwendigen Beutezügen beteiligen konnten. Sie waren zu schwach dafür, oder befanden sich in einer Schwangerschaft. So trugen sie nichts dazu bei, in den 'Raubzügen' etwas zu erobern und wurden daher vom Erbe ausgeschlossen. Damals war die körperliche Kraft der Männer sehr wichtig für das Überleben eines Stammes.

Heute haben wir Maschinen und viele technologische Hilfsmittel, um Frauen ebenfalls an einer kommerziellen Erwerbstätigkeit teilhaben zu lassen. In Notfällen - zum Beispiel in einer Erwerbsunfähigkeit aufgrund einer Erkrankung - haben wir ein soziales Netz, das den bedürftigen Menschen ein Überleben sichert. Und dennoch, wenn Neu-Hinzugekommene so deutlich unterstützt werden wie diejenigen, die seit Generationen das Land wirtschaftlich und kulturell geprägt haben, so werden diese Menschen häufig mit Misstrauen betrachtet. "Mir geht es nicht besonders gut, ich bin Rentner und muss dennoch etwas hinzuverdienen, um über die Runden zu kommen. Wenn diese Einwanderer oder Flüchtlinge nicht hierher gekommen wären, so könnte ich vom Staat eine größere Unterstützung erhalten!"

 

Diese Gedanken gehen sicher in einigen Köpfen herum. Aber: Deutschland hat selbst in der Vergangenheit einen Krieg ausgelöst. Viele Deutsche mussten davor fliehen und wurden im Ausland aufgenommen. Es gebietet die Menschlichkeit und das Mitgefühl den bedürftigen und vor Krieg geflohenen Menschen zu helfen und ihnen eine Unterstützung zu bieten. Um mehr Anerkennung und Respekt zu erhalten, sollten die Flüchtlinge vielleicht auch dazu beitragen, etwas gemeinsam in den 'Wirtschafts-Topf' fließen zu lassen, damit es nicht zu größeren Konflikten kommt.  Das Gefühl einer 'Zugehörigkeit' ist nicht einfach zu erlangen und es dauert seine Zeit, vielleicht sogar einige Generationen.

Einfach etwas in den gemeinsamen 'Wirtschaftstopf' einfüllen ? Hört sich alles sehr einfach an. Ist es natürlich nicht. Wir müssen uns ständig austauschen und im Dialog bleiben, um zu schauen, dass jeder zu seinem verdienten Recht kommt. Eine Willkommenskultur ist aber notwendigerweise auch eine verbale Streitkultur.     
                Interaktion statt Kollision !